Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck in China

 
24. Juni 2024

Besichtigung von BMW-Forschungszentrum und Continental-Werk / Europa braucht einen Plan / Klimapolitik geht nur zusammen mit China und mit günstigen Elektrofahrzeugen

Die EU brauche einen langfristigen Plan, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, fordert Vize-Kanzler Dr. Robert Habeck bei seiner China-Reise. „Die großen Nationen haben einen sehr genauen Plan – Europa hat diesen Plan nicht ausreichend“. Eine Eindämmung der Erderwärmung scheine derzeit von anderen Themen überlagert zu werden, sagte der Grünen-Politiker am Sonntag, den 23. Juni in der südchinesischen Stadt Hangzhou, der letzten Station seiner Asienreise. „Aber ohne China würde es nicht gelingen, die Klimaziele global einzuhalten.“
  
Zollverhandlungen zwischen China und der EU
  
Ein Tag zuvor wurde bekannt, dass China und die Europäische Union Konsultationen über die Ankündigung von Zusatzzöllen auf Elektroautos aus China aufnehmen wollen. Die Gespräche würden vom chinesischen Handelsminister Wang Wentao und EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis geführt, teilte das Handelsministerium in Peking mit. Das sei ein erster guter Schritt, aber noch lange kein Durchbruch, sagte Habeck am Sonntag, der von dieser Entwicklung eher überrascht wurde.

Die EU-Länder müssten den Schulterschluss suchen, um im Wettbewerb mit China bestehen zu können. Sowohl in Südkorea, wo der Wirtschaftsminister zuvor seine Asienreise startete, als auch in China habe ihn der Begriff „Wettbewerb, und zwar in seinem härtesten Sinne“ immer wieder eingeholt, sagte der Vizekanzler. „Ich glaube, wir müssen uns diesem Wettbewerb stellen. Deutschland führt dieses Wort „Wettbewerb“ auch im Mund. Also Nachlässigkeit, Faulheit, Trägheit, Bräsigkeit ist keine Alternative“, betonte Habeck. Er warnte aber vor dem Extrem, nötig sei auch Zusammenarbeit. Kooperation bedeute, den anderen nicht als Gegner oder gar Feind zu sehen, sondern Verständnis füreinander zu entwickeln und einander zu stärken.

Unterschiedliche Argumentation von EU und Habeck

Zuvor hatte Habeck betont, die Ankündigung neuer Zölle handle sich nicht um pauschale Strafzölle, sondern um Zölle zum Ausgleich unfairer Wettbewerbsvorteile. Er kritisiere nicht, dass China deutlich mehr an Gütern produziere als es selbst verbrauche. „Überkapazitäten sind nicht das Problem und auch nicht der Vorwurf“ – und auch nicht Subventionen. Das Problem entstehe, wenn staatliche Fördergelder flössen, um Exportchancen zu erhöhen, berichtet die dpa. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, das Deutschland einen weitaus höheren Anteil seiner Fahrzeuge exportiert und der Exportanteil pro Kopf in Deutschland weitaus höher als in China ist.

Es sollten mögliche Kompromisse in den nun anstehenden Verhandlungen gefunden werden, sagte Habeck: „Ich sehe einige, auch in dem Feld der elektrischen Mobilität“. Nun müsse aber China Vorschläge machen und die EU-Kommission die Verhandlungen führen.

Habeck zieht Bilanz seiner Chinareise

Auf einer vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) am Montag (24. Juni) organisierten Veranstaltung zog Habeck eine Bilanz seiner Chinareise. Der Streit über E-Autos zeige, was in den internationalen Handelsbeziehungen generell „auf dem Spiel“ stehe. Das Thema zeige, „wie wichtig es ist […] nicht einzusteigen in eine Spirale des ‚Ich gönn dir nichts‘. Denn am Ende werden alle durch dieses Nicht-Gönnen verlieren“, sagte er.

„Die chinesische Seite glaubt fest – die sagen es nicht nur, sie glauben es fest – dass die Europäische Union und der Westen in einer Form von Verlängerung von imperialer Haltung nicht möchte, dass erfolgreiche chinesische Güter auf unseren Markt kommen“, so Habeck. „Es kostet einem wirklich viel Kraft zu sagen: Darum geht es nicht“.

Umgekehrt neige man in der EU dazu, zu glauben, dass China „nicht bessere Produkte auf unseren Markt bringen, sondern mit Dumpingangeboten bewusst unseren Markt und damit unseren Wohlstand und unsere Industrien zerstören wolle“, erklärte er. Diese gegenseitigen Vorurteile könnten zu einem Mangel an Verständnis zwischen den beiden Wirtschaftsblöcken führen. „Deswegen machen Reisen schon einen Unterschied und direkte Gespräche auch“.

So ist es wichtig, die Welt außerhalb Europas anzusehen. Nicht nur China, viele Schwellenländern werfen der EU eine imperiale Haltung und deutschen Politikern eine nutzlos belehrende, zurechtweisende Haltung vor. Nicht nur in China, sondern beispielsweise in den ASEAN-Ländern verliert nach aktuellen Umfragen Europa massiv an Vertrauen und Sympathien. Obwohl China mit einigen dieser Länder mit Grenzstreitigkeiten verwickelt ist, holt China stark an Sympathiewerten dort auf und jetzt ist beliebter als Europa.

Warum sind Elektroautos aus China günstiger und oft Technologieführer?

Die EU-Kommission untersucht seit vergangenem Herbst, ob E-Autos in China von wettbewerbsverzerrenden Subventionen profitieren. Kommissionsangaben zufolge sind chinesische Elektroautos normalerweise rund 20 Prozent günstiger als in der EU hergestellte Modelle. Das stimmt im chinesischen Markt. Doch die in der EU verkauften Elektroautos sind deutlich teurer, da durch Transortkosten und technologische Anpassungen an EU-Normen zusätzliche Kosten entstehen.
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Habeck widersprach sowohl der deutschen Industrie als auch der EU-Kommission, die sehr wohl Subventionen und Überkapazitäten problematisieren. Zudem erklärte er den chinesischen Gesprächspartnern auf der ersten Plenarsitzung des Klima- und Transformationsdialogs in Peking, dass es sich bei den geplanten Zöllen nicht um Strafzölle handele. Habeck wies zudem darauf hin, dass es der EU-Kommission bei ihrem Vorgehen auch um etwas anderes gehe als um fairen Wettbewerb. „Wir würden anders und sicherlich nicht ganz so hart vorgehen bei der Analyse, wo wir Abhängigkeiten von Rohstoffen, von technischen Gütern haben, wenn es diesen Krieg beziehungsweise die Unterstützung in diesem Krieg von China gegenüber Russland nicht geben würde“, so der Bundeswirtschaftsminister.

Selbst der ukrainische Präsident Selenski sieht Chinas Vorgehen differenzierter und lobte einige Friedensinitiativen von China, die in westlichen Medien überwiegend kritisch bewertet werden. Für die meisten Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas ist dies ein europäischer Konflikt. Das bevölkerungsreichste Land der Welt, Indien, nimmt etwa 40 Prozent des russischen Öls ab und exportiert es zum Teil verarbeitet nach Europa. Nicht nur die internationale Wirtschaftspolitik, sondern auch die Geopolitik stellt sich neu auf und der Westen verliert dabei seine Vorherrschaft.

Wirtschaftspolitik und geostrategische Überlegungen vermischen sich auf der deutschen und europäischen Regierungsebene in unterschiedlicher Gewichtung. Die eigentliche Herausforderung wird dabei wenig gesehen. Sowohl China, als auch Indien haben mehr als dreimal so viel Einwohner, als die EU. Diese Länder haben ebenso wie die ASEAN-Staaten, afrikanische und lateinamerikanische Staaten eigene Vorstellungen, wobei die wirtschaftliche Entwicklung und ein steigender Wohlstand der Bevölkerung im Vordergrund stehen. Darauf bauen auch ökologische Strategien und die Bekämpfung des Klimawandels auf.

Dies sollte ein Wirtschaftsminister der Grünen Partei für seine geopolitischen Überlegungen nutzen. Globale Wirtschaftspolitik und globale Klimapolitik ist nur zusammen mit diesen aufstrebenden Ländern und vor allem mit China zu machen. China bot Europa bereits auf der vergangenen Automobilausstellung in München den Dialog dazu an. Vertreter der chinesischen Politik, die Chefs wichtiger chinesischer Autofirmen und auch die Vorsitzende der drei großen deutschen Autokonzerne suchten nach Wegen für eine globale nachhaltige Autoproduktion, nach klimaneutralen Verkehrssystemen und global verbindlichen Handelsnormen. Habeck machte einen Bogen um die Messe und die Veranstaltungen und die europäische Politik setzte in München auf Kritik und weniger auf Dialog.

Die Welt braucht einen nachhaltigen Plan

Fast 50 Prozent Marktanteil von Elektrofahrzeugen, dabei gute Moddelle mit einem Verkaufspreis von unter 10.000 Euro. Die Wirtschaftspolitiker sollten sich in China ansehen, wie dies gelingt. Zum einen durch eine nachhaltige, langfristig ausgerichtete Industriepolitik, in der nicht ein Großteil der Subventionen verpuffen. Die Grundlagen für eine klimaneutrale Industrie legte China bereits vor über dreißig Jahren. Zum anderen durch einen gnadenlosen Wettbewerb der Unternehmen, der zu schnellen Innovationen und Preissenkungen zwingt. Zudem werden die Autosteller in High-Tech-Zentren gelockt, in denen Wettbewerber ihre Kräfte bei Forschung oder Beschaffung bündeln und gestärkt in den Wettbewerb einsteigen. Damit entstanden weltweit einmalige Forschungsstrukturen, die es ermöglichen, neue Fahrzeuge in zwei Jahren zu entwickeln. In Europa dauert dies vier bis sechs Jahre. Dieser „China-Speed“ möchten auch die deutschen Autokonzerne nutzen, damit sie auch zukünftig auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig sind.

Aus den EU-Untersuchungen sollte gelernt werden. Ansonsten könnte der Industriestandort Deutschland noch weiter zurückfallen und eine Eindämmung der Klimakriese unmöglich werden. Sicherlich müssen Regeln für den internationalen Handel neu und besser definiert werden. Doch nicht nur China kritisiert die von der EU in ihren Untersuchungen gesetzten Bereiche als willkürlich definiert. Untersuchte Firmen klagen darüber, das einige geforderte Daten zu ihren Betriebsgeheimnissen gehörten, welche kein Autokonzern der Welt öffentlich machen wolle.

Die Konflikte als Chance nutzen

Ein Konflikt und ein Auseinanderfallen der internationalen Handelsordnung droht. Dabei ist die Lösung recht einfach. Vor der Androhung von Handelsschranken gehört ein Dialog, die gemeinsame Suche nach Lösungen. Und die Kriterien, die für chinesische Konzerne gelten, Untersuchungen ihrer internen Geschäftspraxis, müssen auch für europäische und amerikanische Konzerne gelten, müssen sich an weltweiten Standards orientieren. Die WTO ist dafür eine etablierte Institution. Der Westen muss sich davon verabschieden, einseitig Standards für die Welt zu setzen. Noch einmal: nur gemeinsam sind die Herausforderungen des Klimawandels zu schaffen und der Bereich Elektromobilität ist dabei ein wichtiger Pfeiler.

Die nächsten Wochen bleiben spannend. Doch egal wie dieses politisch motivierte Scharmützel ausgeht: der internationale Handel, die globale wirtschaftliche Zusammenarbeit geht weiter. Die „Silkrail“-Initiative könnte durch diese Unsicherheiten eher noch eine größere Bedeutung gewinnen, da sich die Unternehmen und der Handel kurzfristig auf schnell ändernde Rahmenbedingungen einstellen muss, welche besonders für hochwertige Güter durch einen asiatisch-europäischen Seetransport nicht gewährleistet werden kann.

Der Artikel stellt die Meinung des Autors dar
Thomas Kiefer, ASIA MEDIA SERVIVE

Links:
Bundesminister Habeck reist nach Südkorea und China

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